15-05-2025
Tag der Befreiung - Tag des Sieges 8/9. Mai 2025
Unerwünschtes Gedenken – Denken unerwünscht?
Wird der 8. Mai hierzulande als Tag der Befreiung begangen, so fallen die Feierlichkeiten zum Jahrestag des Sieges über Hitler-Deutschland in Russland und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion traditionell auf den 9. Mai, da die Kapitulationsurkunde erst spät in der Nacht des 8. Mai 1945 in Berlin-Karlshorst unterzeichnet wurde. Doch liegt es selbstverständlich nicht an derlei Feinheiten, dass die Blickwinkel auf dieses historische Datum auf mitunter erschreckende Weise auseinanderklaffen. Gerade auch wieder in jüngster Zeit. Ob unmittelbar zur vermeintlichen »Stunde Null«, ob zu Zeiten der Aufbau- bzw. sogenannten »Wirtschaftswunder«-Jahre im geteilten Deutschland, ob in den Jahren der gegenseitigen Annäherung und schließlich Überwindung der Teilung oder ob heute, acht Jahrzehnte nach Ende des verheerenden Zweiten Weltkriegs – nie waren und
sind die Auffassungen von Geschichte frei vom politischen Zeitgeschehen. Gefährlich wird die Instrumentalisierung von Vergangenheit, wenn faktenwidrig Feindbilder, Hass und Angst mit ihr geschürt werden, um Militarisierung und erneute Hegemoniebestrebungen zu rechtfertigen. Die von Russophobie triefenden Repressionen und Provokationen rund um den 80. Jahrestag der Befreiung sind beredter Ausdruck dessen.
Kapitulationsurkunde vom 8. Mai 1945 auf Deutsch
Wehret den Anfängen!
Bei allem Interpretationsspielraum der Geschichte – woran es keinen vernünftigen Zweifel geben kann, ist die Tatsache, dass der Zweite Weltkrieg ein von langer Hand vorbereiteter, ideologisch verbrämter Expansionskrieg war für „mehr Lebensraum im Osten“. Es war ein vom Deutschen Reich ausgehender industriell geführter Vernichtungskrieg, gerichtet besonders gegen die angeblich „rassisch minderwertigen“ Völker der Sowjetrepubliken. Mit 27 Millionen Toten waren es eben jene, die die meisten Opfer und unfassbares Leid trugen. Tatsache ist auch: Den entscheidenden Anteil an der Niederlage der Wehrmacht und mithin der Befreiung Europas vom Faschismus hatte die Rote Armee. Umso drängender erhebt sich die Frage: Was soll bezweckt werden, wenn zum 80. Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland von deutscher Seite anscheinend kein Affront zu dumm, keine behördlich erteilte Auflage zu kleinlich, keine medial befeuerte Entstellung der geschichtlichen Ereignisse zu grotesk ist, um den Versuch zu unternehmen, dieses Gedenken zu schmähen und die Leistungen der Befreier vergessen zu machen? Solchem Geschichtsrevisionismus ist entschieden entgegenzutreten.
Gesicht zeigen, gemeinsam erinnern
Die Veranstaltungen rund um den 80. Jahrestag waren zahlreich. Kranzniederlegungen zur Würdigung der Opfer fanden an vielen Orten statt. Es gab verschiedene Kundgebungen. An mehreren Veranstaltungen dieser Tage waren auch Mitglieder unseres Vereins zugegen. Höhepunkte waren sicherlich die offiziellen Zeremonien auf den Seelower Höhen (am 16. April), an der Begegnungsstelle amerikanischer und sowjetischer Truppen in Torgau an der Elbe (am 25. April) sowie an den sowjetischen Ehrenmälern in Berlin-Schönholz (am 8. Mai), Berlin-Treptow und Berlin-Tiergarten (am 9. Mai).
Eindrücke von der Kranzniederlegung am Treptower Ehrenmal am 9. Mai 2025
Eindrücke von der Kranzniederlegung am Ehrenmal in Berlin-Tiergarten
Ebenfalls am 8. Mai nahmen wir an einer Gedenkkundgebung »Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!« in Berlin-Karlshorst teil, und bereits zuvor, am 19. April, beteiligten wir uns am Berliner Ostermarsch, in diesem Jahr unter dem Aufruf »JA zum Frieden«. Am 3. Mai fand anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus eine weitere Kundgebung vor dem sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Tiergarten statt. Dem Aufruf »Wir sagen Danke! Frieden! Gute Nachbarschaft mit Russland!« waren weit über die Grenzen Berlins hinaus mehrere Tausend Unterstützer gefolgt, darunter auch wir. Am Nachmittag des 9. Mai fand ausgehend vom #europeanpeaceproject eine Demonstration des Bündnis »Friedlich zusammen« in Berlin-Schöneberg statt, an der wir uns gleichermaßen beteiligten.
Eine große Ehre war es für uns, am 9. Mai einer Einladung in die Russische Botschaft zu folgen zu einem feierlichen Empfang anlässlich des 80. Jahrestages des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg 1941–1945. In seiner Rede vor zahlreichen internationalen Gästen gab der Botschafter Sergej Netschajew zu verstehen, wie unzulässig es sei, die Sichtweisen auf die Ereignisse und Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs von der aktuellen politischen Lage abhängig zu machen. Mit dem Hinweis darauf, dass sich auf dem Gebiet Deutschlands über 4 000 Gräberstätten befinden, in denen mehr als 700 000 sowjetische Soldaten ruhen, dankte er allen ehrenamtlichen Helfern für den respektvollen Umgang mit den sowjetischen Kriegsgräbern und Denkmälern und unterstrich die Notwendigkeit, dieses Kapitel der deutsch-russischen bzw. deutsch-sowjetischen Vergangenheit weder zu verfälschen, noch propagandistisch zu missbrauchen.
Zum Empfang in der Russischen Botschaft